gässli5Eine Baudokumentarische Untersuchung



1. SITUATION UND LAGE


Im südwestlichen Randgebiet des Dorfes Grabs, am Fusse des Studnerbergs, liegt das Oberdorf. Auf einer Höhe von 478 m ü. M. markiert es den Übergang von der Talebene zum Berggebiet. Das Gässli, benannt nach der gleichnamigen Strasse, liegt an der Verzweigung Beuschenbüntststrasse / Gässli. Der Gebäudekomplex ist mit seiner Hauptfassade gegen Südosten ausgerichtet und besteht aus dem südöstlichen Wohnteil und einer auf der Nordwestseite angegliederten Stallscheune. Typologisch handelt es sich um einen sogenannten Streckbau (Gadenhaus). Bei diesen Vielzweckbauten liegen Wohnhaus und Stall unter einem Dach mit gleicher Firstrichtung.

Auf der Eschmannkarte von 1840 sind vereinzelte Häuser an der Beuschenbüntstrasse zu erkennen, die Strasse Gässli ist erst später dazugekommen. Heute ist das Haus umgeben von Holzhäusern aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Einzig der neu errichtete Gewerbebau mit seinem gewaltigen Massstabssprung lässt das Haus an seinem heutigen Standort fehlplatziert erscheinen.



2. BAUGESCHICHTE


Verschiedene typologische Merkmale beim Bau weisen auf unterschiedliche Epochen hin. Dies wird besonders sichtbar an der Art der Gestaltung der Pfettenkonsolen, der Form der Heiterlöcher und dem verdeckten Fries im Erdgeschoss. Studer weist darauf hin, dass es sich beim Gebäude auch um ein nachträglich aufgestocktes Tätschdachhaus handeln könnte, was auf eine Bauzeit im 17. Jahrhundert deuten würde.3 Die dendrochronologische Untersuchung vom 1. April 2021 bestätigt diese Vermutung. Insgesamt wurden sechs Bohrungen im Kernbau und sechs Weitere im Dachstock durchgeführt. Bei den untersuchten Hölzern aus dem Kernbau handelt es sich um eine Tanne und fünf Fichten ähnlicher ökologischer Herkunft. Diese Bäume wuchsen an einem auf ca. 1000 bis 1200 m ü. M. gelegenen Standort. Die Bäume wurden im Winterhalbjahr 1665/66 und 1666/67 geschlagen. Bei denen im Dachstock handelt es sich um sechs Fichten und wuchsen an verschiedenen auf ca. 800 bis 1200 m ü. M. gelegenen Standorten. Die Fälldaten dieser Bäume erstrecken sich vom Winterhalbjahr 1817/18 bis ins Winterhalbjahr 1819/20.4 Weiter kann davon ausgegangen werden, dass der Rutenkamin noch vor der Aufstockung eingebaut wurde, da diese Konstruktionsweise ab 1811 verboten war. Die Lauben können chronologisch nicht zugeordnet werden, man kann jedoch davon ausgehen, dass diese aufgrund ihrer Konstruktionsweise kaum bauzeitlich sind.

1874 gehörte die Liegenschaft einem Matheus Eggenberger und erhielt 1902, im Zusammenhang mit einer Renovation an der Ostseite des an das Wohnhaus angrenzenden Scheunenteils, einen Anbau für ein Sticklokal.5 Eggenberger betrieb hier gemäss Versicherungskataster eine kleine Küferwerkstatt. Zum Umbau gehörte auch die Neueindeckung des Daches mit Ziegeln anstelle der ursprünglichen Holzschindeln. 1914 ging die Liegenschaft in den Besitz von Katharina Eggenberger über und 1916 hiess der Eigentümer neu Burkhard Eggenberger. In diesem Jahr findet sich im Versicherungskataster auch der Eintrag, dass der Betrieb der Küferwerkstatt eingestellt wurde.6

3 vgl. Eberle 2018, S. 2
4 vgl. Hurni / Yerly 20215
4 vgl. Eberle 2018, S. 2
5 vgl. Eberle 2018, S. 2


3. BAUBESCHREIBUNG


Konstruktion

Der als Blockbau konstruierte Kernbau steht auf einem niedrigen Natursteinsockel und besteht aus zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss. Der Kernbau weist einen rechteckigen Grundriss von 7m x 7.8m auf und besteht aus Nadelholz.

Die hochkant geschichteten Balken der Wände haben eine Stärke von 12cm und entsprechen in der Regel der Länge der Binnen- und Fassadenwände. Für die Balken wurde in den ersten zwei Vollgeschossen mehrheitlich Halbholz verwendet, in der Firstkammer hingegen ausschliesslich Vollholz. Zur horizontalen Versteifung, wurden auf der Schmalseite der Balken, vertikale Holzdübel in unregelmässigen Abständen eingeschlagen. Die Eckverkämmungen sowie die Verkämmungen zwischen Binnen- und Fassadenwänden gewährleisten die Stabilität des Blockgefüges. Eine Ausnahme bildet die Binnenquerwand im Erdgeschoss, welche grösstenteils gemauert ist. Die als Block konstruierte nördliche Giebelwand wurde zusätzlich mit zwei Spannbalken im Dachraum ausgesteift.7

Die Art und Weise, wie die seitlichen Lauben an den Kernbau gefügt sind, deuten auf eine spätere Bauzeit hin. Sie sind in Gerüstbauweise erstellt und mit stehenden Brettern verschalt. Das Dach ist als Pfetten-Rafendach ausgebildet. Die Rafen, auch Sparren genannt, sind im First jeweils durch einen Scherzapfen verbunden. Die auf den Rafen aufliegenden Aufschieblinge überdecken die Lauben. Das Rähm der Gerüstkonstruktion ist gleichzeitig die Fusspfette. Die First- und Mittelpfetten sind in der Südfassade in den Block eingestrickt und liegen auf Konsolen auf. Die Firstpfette ist durch einen Ständer mit Bindern zusätzlich auf die Querwand abgestützt.

Die mehrheitlich firstparallel ausgerichteten Decken bestehen aus 4cm bis 5cm dicken Brettern. Die Bretter sind im Vorderhaus in die Blockwände eingenutet und untereinander mit Nut und Kamm verbunden. Um der Spaltenbildung in den Fussböden beim Abschwinden entgegenzuwirken, wurden durch Aussparrungen in den Wänden, konisch geschnittene Schliessbohlen eingeschlagen. Diese mussten in regelmässigen Zeitabständen, bis zum Abschluss des Schwundprozesses, nachgeschlagen werden.8

Fenster- und Türöffnungen bedeuten beim Blockbau stets eine Schwächung der Konstruktion. Um dies zu vermindern, läuft immer der Schwell- und Sturzbalken über die gesamte Wandbreite durch. Die unterbrochenen Wandbalken werden von einem Mantelstud umgriffen, dieser ist im Sturz- und Schwellbalken eingezapft oder überkämmt diesen. Einzig die Firstkammer weist flächenbündige Türpfosten auf, die oben und unten verzapft sind.

Im Aussenraum des Dachstocks finden sich vertikale Markierungen über mehrere Balken, welche womöglich der Anbringung der Fassade dienten. Die Markierungen im Innenraum laufen jeweils über die Fuge zweier Balken und sind zueinander versetzt. Es ist anzunehmen, dass sie die Position der Dübel markieren. Der unterste Balken der Nordwand der Firstkammer ist stark verrusst. Dies war nur möglich, solange weder Firstkammer noch Kamin eingebaut war.

7 vgl. Gollnick / Bieri, 2012 S. 78
8 vgl. Gollnick / Bieri, 2012 S. 78



Fassaden

Die Hauptfassade richtet sich gegen Süden, erstreckt sich über drei Geschosse, und ist bis auf das Giebeldreieck und die seitlichen Schlüffe im Dachgeschoss vollständig vertäfert. Auch die Reihenvorstösse waren bis auf jene im Dachgeschoss verkleidet, sind heute aber teils abgefallen. Einige Täferfelder weisen noch Spuren einer rautenförmigen Verzierung, auf die sich ins 19. Jahrhundert datieren lassen.8 Die ganze Fassade ist nussfarbig bis schwarz verbrannt und besteht aus Nadelholz.

Der tiefe Sockel ragt etwa 20cm aus der Erde. Hier zeigen sich zwei liegende Kellerfenster ohne Sprossen. Die Fenster der Blockkonstruktion sind in mehrteilige Wagen zusammengefasst: 4 + 2 im Erdgeschoss, 2 + 2 im Obergeschoss und 3 im Dachgeschoss. Die Fenster mit sechsteiliger Sprossung sind mit einem Schiebefenster ausgestattet. Die alten Schiebe- und Zugläden sind grösstenteils noch vorhanden, aber mehrheitlich nicht mehr funktionsfähig. Die seitlichen Schlüffe des Dachgeschosses und das Giebeldreieck besitzen insgesamt vier Heiterlöcher. Typologisch weist die formale Gestaltung der Konsolen und Heiterlöcher zwar ins 18. Jahrhundert, dendrochronologische Untersuchungen belegen aber den Bau um 1820. Dies zeigt, das althergebrachte Formen sehr lange verwendet wurden und das Zimmerhandwerk in dieser Region sehr traditionell orientiert war.

An der Stelle an der die Täferfassade abgefallen ist, lässt sich die gestufte Fassade dahinter erkennen. Auf Brüstungshöhe im Erdgeschoss springt der Block nach aussen. Dieser Balken ist mit Absatz und Schild gefast. Man kann daher annehmen, dass der Block früher sichtbar war. Das Windbrett weist eine geschwungene Verzierung auf. Die Pfettenkonsolen ragen 80cm aus der Südfassade heraus und sind unterschiedlich gestaltet. Dabei sind die äusseren Konsolen bis auf den obersten Balken gerade abgesägt und teils verkleidet. Die inneren Konsolen sind als Verlängerung der Firstkammer durch eine barocke, geschwungene Form geprägt. Die unterschiedliche Ausprägung deutet auf eine nachträgliche Aufstockung der Firstkammer hin.10

Die seitlichen Anbauten und restlichen Fassaden sind mit einer stehenden Bretterschalung verkleidet.

9 vgl. Eberle 2018, S. 3
10 vgl. Eberle 2018, S. 55




Raumanordnung

Der Hauptbau weist eine für diese Zeit typische Raumaufteilung auf. Eine quer zum First verlaufende Binnenwand trennt das zweigeschossige Blockgefüge in ein Vorder- und Hinterhaus. Südlich der Binnenquerwand, an der Sonnenseite, befindet sich das Vorderhaus, nördlich davon das Hinterhaus.

Im ersten Geschoss des Hauptbaus befindet sich im Vorderhaus der Wohnbereich, welcher in zwei Teile unterteilt ist. Südöstlich befindet sich die grosse Stube, südwestlich findet man die Nebenstube. Beide Räume sind durch eine Türöffnung, mit jeweils zwei Mantelstüden in der Binnenquerwand, vom Hinterhaus erreichbar. An der Türe zwischen Stube und Nebenstube ist kein Mantelstud sichtbar. Dies könnte auf eine nachträglich eingebrachte Türe hinweisen.

Im Hinterhaus befindet sich der Eingangsraum und die Küche. Im Eingangsraum befindet sich der Abgang ins Untergeschoss. In Analogie an die meisten Bauernhäuser der Innerschweiz ist nur das Vorderhaus unterkellert, das Hinterhaus ist ebenerdig angelegt.11 Der Zugang ins Hinterhaus erfolgt über die beiden traufseitigen Laubenanbauten und jeweils auf beiden Seiten über einen vorgelagerten Eingangsraum in die Küche. Auf der östlichen Seite in der Laube befindet sich der Abort, direkt über der Jauchegrube und ein Schweinestall in der südöstlichen Ecke, welcher nur über eine Türe in den Aussenraum verfügt. Über eine schmale Treppe erreicht man den Stauraum über dem Stall, die restliche Laube ist bis unters Dach offen. Auf der südwestlichen Seite des Hauses befindet sich eine zweigeschossige Laube.

Das erste Vollgeschoss erreicht man durch den Aufgang vom Eingangsraum. Dieses besitzt fast die gleiche Raumaufteilung wie das Erdgeschoss. Direkt über Stube und Nebenstube befinden sich Kammer und Nebenkammer, verbunden durch eine Türe, deren Lichtmass später vergrössert wurde. Einzig das Hinterhaus ist nicht mehr unterteilt, wird aber vom Rauchabzug des Kamins in zwei Teile gegliedert. Auf der Ostseite befindet sich die Türe zur Laube, auf der Westseite befindet sich die Treppe ins Dachgeschoss. Die starken Russablagerungen im Hinterhaus lassen vermuten, dass der Rauch des offenen Herdfeuers bauzeitlich noch frei zirkulierte und die Küche bis unters Dach offen war.

Der Dachraum ist nicht mehr klar unterteilt. Einzig die Firstkammer gliedert den Dachraum in mehrere kleine Räume, ist aber anders als die Nordwand, nicht verrusst. Beidseitig der Firstkammer befindet sich der Schlupf, davor befindet sich der offene Dachraum, wovon ein Teil leicht erhöht auf einem Podest steht. Eine raummittig angeordnete Treppe neben dem Kamin führt zum Estrich über der Firstkammer. Dieser ist ebenfalls nicht verrusst.

Stallscheune

Die angebaute Stallscheune mit leicht höherem First ist im Innern teils stark verändert worden. Dass an das Wohnhaus angrenzende Drittel des Ökonomieteils wurde in jüngerer Zeit umgebaut und dient seither als Lagerraum. Die Einteilung ist aber immer noch klar erkennbar. Unmittelbar an das Wohnhaus folgte das Tenn mit dem Heuraum und am nordwestlichen Ende des Komplexes das Stallviereck. Bis auf das Stallgehäuse, welches als verzinkter Blockbau konstruiert ist, herrscht die Gerüstbauweise vor. Aufgrund der verzinkten Blockbauweise ist die Stallscheune wohl in das 19. Jahrhundert zu datieren.12 Die Fassaden zeigen verschiedene Formen von Bretterschirmen: geschlaufter Schirm mit Holzzapfen oder mit Leisten versehene Bretterverschalung. Die beiden Giebeldreiecke sind mit rechteckigen Schindeln verkleidet.13

11 vgl. Gollnick et al. 2013 S. 161
12 vgl. Eberle 2018, S. 4
13 vgl. Eberle 2018, S. 4




Innenausstattung

An der Binnenquerwand, in der südwestlichen Ecke der Küche, befindet sich der Feuersockel. Direkt darüber befindet sich ein diagonaler Unterzug mit einem runden Loch, was vermuten lässt, dass früher ein Turner hier befestigt war. Dieser wurde genutzt, um einen Kessel über das Feuer zu hängen, meist zur Herstellung von Käse.14 Die Binnenquerwand im Erdgeschoss, auch Feuerwand genannt, gehört sicherlich zum Orginalbestand. Ob diese anfänglich nur als Blockkonstruktion bestand und man erst später Teile gemauert hat, oder schon bauzeitlich als Mischkonstruktion ausgeführt wurde, lässt sich nicht abschliessend klären. Über dem Feuersockel liegt die Einfeuerung für den Ofen. Neben dem Feuersockel findet man in einer Nische in der Feuerwand einen teils eisernen Feuerkasten. Beim Kamin könnte es sich um einen Rutenkamin handeln, der mit Lehm verkleidet wurde. In diesem Fall müsste dieser vor 1811 gebaut worden sein, da diese Konstruktion aufgrund des Feuerschutzgesetzes danach nicht mehr zulässig war.15

Auf der anderen Seite der Binnenquerwand befindet sich die Stube mit eingemauertem Ofen in der Ecke. Der Kastenofen steht auf gedrechselten Beinen und ist in zwei Volumen geteilt. Das grössere Volumen ist der eigentliche Ofen, der in seinem Inneren ein freistehendes Tonnengewölbe aufweist, das möglicherweise dem Abführen des Rauchs zurück in die Küche gedient haben könnte. Das kleinere Volumen hat ein Türchen zur Stube hin. Hier wurde jedoch kein Feuer gemacht, da sich weder an Ofen noch an der Decke Russspuren finden lassen. Dieser Teil des Ofens wurde durch den dahinterliegenden Feuerkasten erwärmt und vermutlich als Ofen genutzt. Die Boden- und Deckelplatte besteht aus Stein. Die Feuerwand ist wie der Ofen weiss verputzt. Die restliche Stube ist mit Brettertäfer verkleidet. In der südöstlichen Ecke befindet sich die Eckbank. An der Nordwand über der Eckbank findet man ein Regal, wo früher Geschirr verwahrt wurde. Die Decke zeigt sich schmucklos. Einzig der Unterzug ist, wie in allen anderen Räumen im Vorderhaus, mit Absatz und Schild gefast.

Die Nebenstube ist ebenfalls vertäfert, jedoch vielerorts stark beschädigt durch eine undichte, nachträglich eingebaute Wasserleitung. Es handelt sich hier um ein anderes Brettertäfer als in der Stube. An der Decke der Nebenstube gibt es eine Luke zur Nebenkammer. Die Türen im Erdgeschoss sind mehrheitlich vergrössert und die Türblätter ersetzt worden.

Im ersten Obergeschoss ist bei allen Wänden der Block beziehungsweise die Bohlen- Ständerkonstruktion sichtbar. Die Fenster in Kammer und Nebenkammer wurden im Laufe der Zeit vergrössert. In der Kammer ist dies daran ersichtlich, dass die Fensterpfosten deutlich kürzer sind als das vorgefundene Fenster. Viele Mantelstüde im Obergeschoss sind mit einer einfachen oder doppelten Eierfase versehen.

Im Dachgeschoss und der Firstkammer ist bei allen Wänden der Block sichtbar. An den Rafen befestigt finden sich Holzlatten, die zur Aufhängung von Lebensmitteln verwendet wurden.16 In der Region wurde oft Mais getrocknet, zur Herstellung von Maisbrot oder Ribel. Im Dachraum sind im Schornstein flache Steine eingelassen. Hierbei könnte es sich um einen für die Region typischen Föhnkamin17 handeln, welcher im Zuge der Aufstockung in den Innenraum gerückt ist. Weitere Hinweise für eine Dacherhöhung liefern die Andersartigkeit der Türpfosten der Firstkammer, als auch ihr verrusster Schwellbalken.

Die Türe von der Laube zum Brüggli ist mit einem Holzbeschlag und aufgenageltem Langband ausgestattet. Da der Mantelstud intakt ist, könnte es sich hier um eine bauzeitliche Türe handeln. Ebenso die Hauseingangstüre, die Türe zur Laube, als auch die Türe in die Firstkammer.

14 vgl. Descoeudres 2006, S. 49
15 vgl. Hochreutener Naef 2018, S. 549-550
16 vgl. Eberle et al. 2018, S. 335
17 vgl. Eberle et al. 2018, S. 167




5. FAZIT


Beim vorgefundenen Streckbau handelt es sich um ein Gebäude mit Seltenheitswert in der Gemeinde Grabs, bedingt durch das hohe Alter von bald 400 Jahren und den grossen Anteil originaler Substanz. Durch die Vernachlässigung der Liegenschaft im Verlauf der letzten Jahrzehnte ist ein Teil dieser Substanz geschädigt worden, so dass das Haus nicht mehr bewohnbar ist. Die Liegenschaft wurde deshalb aus dem Schutz entlassen.

Das Haus steht als typisches Exemplar für ein nachträglich aufgestocktes Tätschdachhaus. Diese Vorgehensweise kam auf, als Nägel zur Befestigung der Schindeln auf steilen Dächern für die breite Bevölkerung erschwinglich wurden. Mehrere Stellen im Haus wie der obere Abschluss des Kamins, die unterschiedliche Beschaffenheit der Konstruktionshölzer, die Ausgestaltung der Firstkammer und die verschiedenartigen Pfettenkonsolen sind Hinweise dafür. Die Täferfassade lässt sich aufgrund ihrer Verzierungen auf das frühe 19. Jahrhundert datieren. Hinter dem Täfer lassen sich jedoch Verzierung auf dem Block finden, die auf eine bauzeitlich unverkleidete Fassade deuten. Ebenso deuten Spuren auf eine Fenstervergrösserung, die wohl im Zuge der Applikation der Täferfassade ausgeführt wurde. Während die dendrochronologische Untersuchung den Kernbau auf das Jahr 1666 und die Aufstockung auf das Jahr 1817/1820 datierte, bleibt das genaue Alter des Kamins als auch der Lauben im Ungewissen.

Holzhäuser, insbesondere massive Blockbauten, sind verhältnismässig leicht zu demontieren. Die Werkteile können auf Karren transportiert werden, um sie an einer anderen Stelle wiederaufzubauen. Früher galten Holzhäuser, insbesondere Blockbauten, nicht als Immobilien, sondern als Fahrhabe einer Familie.18 Dieser aus dem Mittelalter stammende Brauch sehen wir als letzte denkmalpflegerisch akzeptierte Option, um das Haus vor dem Abriss zu schützen.

Mit Sicherheit kann gesagt werden, dass das Haus eine bewegte Geschichte gehabt hat. Trotz Baufälligkeit, in erster Linie die Böden betreffend, vermag das Haus noch viel von seiner Vergangenheit auszustrahlen und sollte nicht allzu leichtfertig preisgegeben werden.

18 vgl. Gollnick et al., 2013 S. 159